France 24 berichtete am 25. Mai 2024, dass die Sexarbeiterinnen im Pariser Stadtteil Belleville, besonders jene chinesischer Herkunft, derzeit sehr besorgt seien. Mit dem Countdown zu den Olympischen Spielen 2024 in Paris intensivierten sich auch die Polizeikampagnen gegen undokumentierte Prostituierte. Diese behaupten, dass sie gezielt in einer brutalen Repressionskampagne ins Visier genommen würden, um die Stadt rechtzeitig für die Spiele zu säubern.
Im Belleville-Viertel sollen etwa 150 chinesische Sexarbeitende tätig sein, die überwiegende Mehrheit von ihnen sei ohne Papiere, viele zudem älter und krank. Laut France 24 schickt Aying*, eine Frau in ihren Sechzigern, jeden Monat einen Teil ihres Verdienstes an ihre Familie in China. Ihre Angehörigen glauben, dass diese Großmutter in einem Supermarkt an der Kasse arbeite. Die Realität könnte nicht weiter entfernt sein.
Seit einem Jahrzehnt gehört Aying zu einer kleinen Gruppe chinesischer Frauen, die aus verschiedenen Gründen auf den Straßen von Belleville, einem Arbeiterviertel im Nordosten von Paris, sexuelle Dienstleistungen anbieten. Als sie 2013 nach Paris kam, hatte sie gehofft, in einem Restaurant oder einer Boutique der Stadt Arbeit zu finden. Doch stattdessen landete sie auf der Straße.
France 24 berichtete, dass die chinesischen Sexarbeitenden in Belleville für ihre niedrigen Preise und ihre direkte Art der Kundenansprache bekannt seien. Historisch hätten sie sich an der Kreuzung von Belleville niedergelassen, da diese ein Knotenpunkt zwischen vier der 20 Pariser Arrondissements sei, was es der Polizei erschwere, Zuständigkeiten zu klären.
Als Frankreich im Jahre 2016 das sogenannte „Nordische Modell“ einführte, wurde auch die öffentliche Anwerbung für Sexarbeit (racolage) entkriminalisiert. Stattdessen sollte man sich auf die Bestrafung der Kund:innen konzentrieren. Diese Gesetzesänderung habe viele ehemalige Kund:innenen abgeschreckt und führte zu weniger polizeilichen Kontrollen. Seit etwa einem Jahr hätten diese jedoch wieder zugenommen, je näher die Olympischen Spiele rücken, desto intensiver würden sie.
Ting, die als Koordinatorin der Organisation „Les Roses d’Acier“ (Stahlrosen) arbeitet, erklärt, dass die meisten der chinesischen Sexarbeitenden in Belleville älter und gesundheitlich angeschlagen seien. Viele litten an Krebs oder Schlaganfällen, die oft mit Stress in Verbindung gebracht würden. Da die Frauen undokumentiert seien, fürchteten sie sich vor polizeilichen Kontrollen, da sie bei einer Verhaftung riskieren würden, nach China zurückgeschickt zu werden.
Die „Stahlrosen“, eine Gruppe von etwa 150 chinesischen Sexarbeitenden in Belleville und rund 600 in ganz Frankreich, seien nach Europa gekommen in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Viele hätten in China schwere soziale und finanzielle Notlagen erlebt. Ting betont, dass viele von ihnen Mütter oder Großmütter seien, die versuchten, ihre Situation zu verbessern, während sie weiterhin ihre finanziellen Verpflichtungen gegenüber ihren Familien zuhause erfüllten.
Die zunehmenden polizeilichen Kontrollen hätten eine Welle der Angst in der Gemeinschaft ausgelöst. „Wir sind sehr besorgt. Wir haben in den letzten Monaten eine Zunahme der Kontrollen und Verhaftungen festgestellt, und es ist klar, dass die chinesischen Sexarbeitenden gezielt ins Visier genommen werden. Das ist völlig diskriminierend“, sagt Ting.
Die Pariser Präfektur habe auf eine E-Mail-Anfrage geantwortet und erklärt, dass sie ihren „Kampf gegen die Sexarbeit“ vor den Olympischen Spielen intensiviert habe, ohne jedoch auf die spezifischen Vorwürfe der Sexarbeitenden einzugehen. Das Büro des Bürgermeisters des 20. Arrondissements, in dem Belleville liegt, war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Aying, die nun als Präsidentin der „Stahlrosen“ fungiere, betont, dass die Behörden die chinesischen Sexarbeitenden ins Visier nähmen, weil sie besonders leichte Ziele seien. „Die meisten von uns sind undokumentiert, also nutzen sie die Identitätskontrollen als Vorwand, um die Straßen zu säubern“, sagt sie.
Obwohl Aying inzwischen einen legalen Status in Frankreich habe, sei es für eine ältere chinesische Sexarbeitende ohnehin schwer genug, Kunden zu finden. „Es gibt viele Tage, an denen ich keine Kunden habe. Null Einnahmen.“ An solchen Tagen sei es umso wichtiger, einen kühlen Kopf zu bewahren und keine unnötigen Risiken einzugehen. Doch für ihre undokumentierten Kolleginnen werde das durch die verschärften Kontrollen immer schwieriger.
Der Original-Artikel auf Englisch oder Französisch ist hier.
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